Das Infektionsschutzgesetz (IFSG) als Ermächtigungsgesetz, gar als Ausdruck einer Corona-Diktatur zu denunzieren, ist unhaltbar. Das IFSG ist mit dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 nicht vergleichbar. Damals beschloss die Mehrheit des Berliner Reichstags, ihre Rechte einem Diktator zu übertragen - eine Selbstaufgabe. Wer sich für die damaligen Geschehnisse interessiert, erhält hier einen guten Überblick. Aufgrund der damaligen Ereignisse ist der Begriff "Ermächtigungsgesetz" für Viele belastet. Zu Unrecht, ein Ermächtigungsgesetz ist vielmehr der gesetzgeberische Normalfall und vor allem Ausdruck eines demokratischen Rechtsstaats. Nach Art. 20 Abs. 3 GG gilt: "Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden." Auf juristisch heißt das: "Vorrang des Gesetzes" sowie "Vorbehalt des Gesetzes". Unter Vorrang des Gesetzes wird verstanden, dass eine staatliche Stelle sich an die Gesetze halten muss, eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen. Der Vorbehalt des Gesetzes hingegen stellt die Forderung auf, dass jedes staatliches Handeln nur auf Grund einer gesetzlichen Grundlage stattfinden darf. Darum soll es hier gehen. Gesetze darf nur ein aus freien, gleichen, allgemeinen Wahlen hervorgegangenes Parlament verabschieden. Damit soll gewährleistet sein, dass jedes staatliche Handeln vom Wahlvolk, dem Souverän, seinen Ausgang nimmt. Eine Regierung darf somit nicht frei entscheiden, welche Maßnahmen sie für bestimmte Probleme ergreift. Allerdings kann es ein Parlament nicht leisten, jedes Detail selbst zu regeln. Für diese Fälle wird die Exekutive ermächtigt, konkretisierende Verordnungen zu erlassen. Ein Beispiel: das Wohnungseigentumsgesetz wurde gerade jetzt grundlegend verändert, es tritt zum 1. Dezember in Kraft. Darin wurde in § 26a Abs. 1 WEG (neu) festgelegt, dass Wohnungseigentumsgemeinschaftsverwalter künftig zertifiziert sein müssen, also eine vor einer autorisierten Stelle abgelegten Prüfung abgelegt haben müssen. Das Parlament hat die Inhalte dieser Prüfung jedoch nicht definiert, sondern überlässt das der Regierung. Dort wird jetzt also ein Curriculum erstellt und im Verordnungswege erlassen. Dieser § 26a Abs. 1 WEG ist eine Ermächtigungsgrundlage. Sie kann selbstverständlich gerichtlich überprüft werden. Für das Kommunalrecht ist das Thema ebenso relevant. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG erklärt: "Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln." Damit ist die Grundlage geschaffen für das kommunale Selbstverwaltungsrecht, welches sich sowohl in der Bayerischen Verfassung als auch in der Bayerischen Gemeindeordnung wiederfindet. Art. 28 GG ist das Grundrecht der Gemeinden auf Selbstverwaltung. Die Länderparlamente entscheiden über die konkreten Ausgestaltungen dieses Rechtes. Die bayerische Gemeindeordnung regelt die Details, aber kann auch in weiten Teilen als Ermächtigungsgesetz für die Selbstverwaltung der bayerischen Gemeinden angesehen werden. Ermächtigungsgrundlagen finden sich in praktisch jedem Parlamentsgesetz. Sie ermöglichen legales Regierungshandeln. Problematisch sind die Ermächtigungsgrundlagen erst, wenn sie zu unbestimmt sind oder wesentliche Grundrechtseingriffe erlauben, insbesondere wenn sich diese hinter Generalklauseln (...alle erforderlichen Maßnahmen...) verstecken. Das Parlament darf die Regierung eben nicht zu Eingriffen in Grundrechte pauschal ermächtigen, sondern muss dafür die Voraussetzungen nach ausführlicher Debatte und Abwägung aller Aspekte konkret definieren und mit Mehrheit beschließen. Ob das Infektionsschutzgesetz in der neuesten Fassung den Anforderungen an Bestimmtheit und Wesentlichkeit entspricht, wird wohl bald das Verfassungsgericht zu entscheiden haben. Immerhin wurde nach massiver Kritik stark nachgebessert. Kommentare sind geschlossen.
|